Offenes System: Austausch von CO2 und O2

Das thermodynamische System und seine Umgebung

Mit dem Begriff “System” ist hier das Inputwasser (genauer: die wässrige Lösung mit seinen Mineralphasen) gemeint. Je nach Art der Koppelung an die Umgebung (z.B. die Atmosphäre) unterscheidet man in der Thermodynamik drei Arten von Systemen:

  Energieaustausch Stoffaustausch
abgeschlossenes System nein nein
geschlossenes System ja nein
offenes System ja ja

In der Hydrochemie spielt eigentlich nur das geschlossene und das offene System eine Rolle. So erfolgen in aqion alle Gleichgewichtsrechnungen – sofern man keine Einstellung vornimmt – für das geschlossene System, also ohne Stoffaustausch mit der Umgebung. Nur in zwei Fällen, die für die Praxis von Bedeutung sind, wird das offene System simuliert:

•  CO2-Austausch durch Vorgabe des CO2-Partialdrucks (bzw. pCO2)
•  O2-Austausch durch Vorgabe des Redoxpotenzials (bzw. pe-Werts)

In beiden Fällen wird soviel CO2 bzw. O2 der Umgebung entnommen oder zugeführt bis der Vorgabewert (pCO2 bzw. pe) sich exakt eingestellt hat. Das Stoffinventar der Umgebung ist dabei unbegrenzt.

Wozu benötigt man das?

Beim CO2-Austausch bringt man das Wasser ins chemische Gleichgewicht mit dem CO2 der Atmosphäre (siehe hier). Beim O2-Austausch bringt man das Wasser entweder in einen oxidierenden Zustand (pe ≥ 6) oder in einen reduzierenden Zustand (pe < 0).

Einstellungen.  Die Vorgabe des pCO2- und/oder pe-Werts erfolgt entweder im Inputfenster oder – bei Reaktionen (Taste Reac) – im entsprechenden Setup-Panel. Sie gehören zu den optionalen Einstellungen der zwei grundlegenden Berechnungswege.

Das Besondere am “Offenen System”

Die Möglichkeit der pCO2-Vorgabe (oder pe-Vorgabe) für das “offene System” ist äußerst hilfreich und effizient. Frage: Könnte man diese Berechnung auch auf anderem Wege durchführen?

Da wäre zunächst das Reaktionsmodul für Chemikalien-Zugabe (Taste Reac). Dort ließe sich die Zugabemenge von CO2 solange variieren, bis man den Gleichgewichtszustand des Wassers mit dem atmosphärischen CO2 erreicht. Prinzipiell ist das möglich. Aber: Es funktioniert nicht für Wässer mit einem “Zuviel” an gelöstem CO2, also bei Wässern, die “ausgasen” würden. In diesem Fall müsste man eine negative Zugabemenge vorgeben (die das Programm jedoch nicht vorsieht).1

Die gleichen Hürden begegnen uns beim O2-Austausch, da keine negative Zugabemenge vorgegeben werden kann, um ein oxidierendes Wasser in einen reduzierenden Zustand zu bringen.

Kurzum: Zur Simulation des offenen Systems reicht die “Chemikalien-Zugabe” alleine nicht aus. Man benötigte zudem noch ein Modul für die “Chemikalien-Entnahme” (das es aber nicht gibt).

Der Unterschied zwischen beiden Vorgehensweisen ist hier skizziert:

offenes_vs_geschlossenes_System (CO2 und O2)

Interessant ist noch ein anderer Gesichtspunkt, der den CO2- und O2-Austausch voneinander unterscheidet. Die CO2-Zugabe/Entnahme entspricht der Zugabe/Entnahme von Kohlensäure (H2CO3). Als Säure kontrolliert und beeinflusst sie den pH-Wert. O2 hingegen agiert als Oxidationsmittel und beeinflusst so das Redoxpotenzial (bzw. pe-Wert).

[Hinweis: Es besteht eine auffallende Ähnlichkeit zwischen Gasaustausch und Mineralauflösung/-fällung. In beiden Fällen wird die Menge, die dem Wasser zugegeben oder entzogen wird, durch die chemische Gleichgewichtskonstante bestimmt: der Henry-Konstanten KH für Gase und dem Löslichkeitsprodukt KL für Minerale.2]

Das oben Gesagte lässt sich an zwei einfachen Beispielen demonstrieren.

Beispiel 1: Gleichgewicht mit dem CO2 der Atmosphäre

Wir führen die Berechnungen für eine 10 mM CaCl2-Lösung auf zwei Wegen durch. In der ersten Rechnung verwenden wir das “offene System” mit pCO2-Vorgabe, in der zweiten Rechnung allein die Chemikalien-Zugabe.

Weg 1.  Wir erzeugen uns eine 10 mM CaCl2-Lösung: Taste H2O, Taste Reac, dann 10 mmol/L für CaCl2 in der Chemikalien-Liste eintragen. Mit der Taste Setup lässt sich das “offene CO2-System” anschalten (der atmosphärische CO2-Partialdruck ist mit pCO2 = 3.408 schon voreingestellt).

CaCl2 im CO2-Gas-Gleichgewicht

Dann Taste Start. Die Ergebnisse werden zunächst wie im Übersichtsschema rechts angezeigt (Taste Details). Man erhält eine Lösung mit pH = 5.61 und DIC = 0.0159 mM.

Mit der Taste weiter (zwei mal hintereinander) werden alle Parameter des Carbonat-Systems angezeigt, u.a. auch der pCO2-Wert (der in diesem Fall 3.41 ist).

Weg 2.  Zur selben Gleichgewichtslösung kommt man, wenn man CO2 als “Chemikalie” zugibt – vorausgesetzt man kennt die genaue Zugabemenge, andernfalls solange probieren, bis pCO2 = 3.41 in der Ausgabetabelle angezeigt wird. Da wir aber die Zugabemenge aus der vorangegangenen Rechnung schon kennen, nämlich 0.0159 mM, testen wir es:

Taste H2O, Taste Reac, dann zwei Reaktanten eintragen: 10 mmol/L CaCl2 und 0.0159 mmol/L CO2 (zuvor das Kontrollkästchen “mehr Reaktionen” aktivieren). Anschließend Start-Taste.

CaCl2 plus CO2

Man erhält die gleiche Lösung mit pH = 5.59 (siehe rechts).

In der Ergebnisausgabe zum Carbonat-System kann man sich auch davon überzeugen, dass pCO2 = 3.41 ist.

Dieser zweite Berechnungsweg ist allerdings unpraktikabel, da wir die erforderliche CO2-Zugabemenge im Voraus nicht kennen.

Beispiel 2: Redoxgleichgewicht für pe = 10 (Oxidation)

Eine 10 mM FeCl2-Lösung hat pH = 5.88 und pe = -1.8; sie befindet sich also in einem reduzierten Zustand. Durch O2-Zugabe soll diese Lösung auf pe = 10 gebracht werden. Auch hier werden zwei Berechnungswege vorgeführt, der erste über das “offene System”, der zweite über die Chemikalien-Zugabe.

Weg 1.  Taste H2O, Taste Reac, dann 10 mmol/L FeCl2 eintragen. Danach Taste Setup und das Kontrollkästchen “offenes Redox-System” anschalten mit pe-Wert 10. Dann Taste Start.

FeCl2 im offenem O2-System

Man erhält ein oxidierendes Wasser mit pH = 3.67 und pe = 10. Unter diesen oxidierenden Bedingungen ist das amorphe Mineral Fe(OH)3 übersättigt und fällt aus. Dies ist aber für die weiteren Betrachtungen nicht relevant.

In der nachfolgenden Ergebnistabelle wird in der Zeile “O2 zu/ab” die zugeführte O2-Menge angezeigt: 0.145 mM. (Diese Info brauchen wir für den zweiten Berechnungsweg.)

Weg 2.  Wir wiederholen die Rechnung, indem wir dem Wasser zwei Reaktanten gleichzeitig zugeben: 10 mmol/L FeCl2 und 0.145 mmol/L O2. (Die Vorgehensweise ist analog zu Beispiel 1.)

Man erhält das gleiche oxidierendes Wasser mit pH = 3.67 und pe = 10.

Wie schon oben erwähnt, ist der zweite Weg unpraktikable, da man die O2-Zugabemenge im Voraus nicht kennt (es sei denn, man tastet sich mit Trial-and-Error an pe = 10 heran).

Anmerkungen

  1. Mehr zum CO2-Austausch findet man hier als PowerPoint

  2. Die Ähnlichkeit von Gasaustausch und Mineralauflösung/-fällung ist der Grund, warum PhreeqC sowohl Gase als auch Minerale nach der gleichen Prozedur behandelt, nämlich als “EQUILIBRIUM_PHASES”. 

[last modified: 2018-04-30]