Aktivitätskoeffizient und Aktivitätsmodelle

Vier Aktivitätsmodelle

Es gibt unterschiedliche Modellansätze zur Berechnung von Aktivitätskoeffizienten \(\gamma_i\). Ihr Anwendungsbereich hängt dabei von der Ionenstärke I der Lösung ab:


  Modell Gleichung   Gültigkeit
(1) Debye-Hückel \(\log \gamma_{i} = -Az^{2}_{i} \ \sqrt{I}\)   I < 10-2.3 M
(2) Extended DH \(\log \gamma_{i} = -Az^{2}_{i} \ \left ( \dfrac{\sqrt{I}}{1+Ba_i\sqrt{I}} \right )\)   I < 0.1 M
(3) Davies \(\log \gamma_{i} = -Az^{2}_{i} \ \left ( \dfrac{\sqrt{I}}{1+\sqrt{I}} - 0.3 \!\cdot\! I\right )\)   I ≤ 0.5 M
(4) Truesdell-Jones   (WATEQ Debye-Hückel) \(\log \gamma_{i} = -Az^{2}_{i} \ \left ( \dfrac{\sqrt{I}}{1+B a_i^0 \sqrt{I}}\right ) + b_i \!\cdot\! I\)   I < 1 M

Mit zi ist hier die Ladungszahl des Ions i bezeichnet.

Alle Größen, die den Index i tragen, sind ionenspezifische Parameter: ai, ai0 und bi. Die Vorfaktoren A und B hingegen hängen nur von der Temperatur T und der (relativen) Dielektrizitätskonstanten εr ab:

(5a) A = [1.82∙106 K3/2 M-1/2]   ⋅ (εrT)-3/2
(5b) B = [50.3 nm-1 K1/2 M-1/2] ⋅ (εrT)-1/2

Unter Standardbedingungen in Wasser bei 25 folgt daraus (mit εr = 78.54):

(6a) A = 0.5089 M-1/2
(6b) B = 3.286 M-1/2 nm-1

Man beachte hier die spezielle Wahl der Längeneinheit: 1 nm = 10-9 m = 10 Ångström.

Fallstricke. Die Vorfaktoren A und B hängen von der Wahl des Einheitensystems ab (und anderen Festlegungen). Deshalb ist Vorsicht geboten, wenn man diese mit Vorfaktoren aus der Literatur vergleicht.

Beispiel 1. Wenn die Aktivitätskorrekturen in Form von ln \(\gamma_i\) angegeben sind (anstelle von lg \(\gamma_i\), dann muss man den Vorfaktor A mit (ln 10) multiplizieren:

  A \(\quad\Longrightarrow\quad\) A · (ln 10) = 1.172 M-1/2

Beispiel 2. Wenn der Vorfaktor B in 6b mittels der Nicht-SI-Einheit Ångström ausgedrückt ist (anstelle in nm), dann muss man B durch 10 dividieren:

  B \(\quad\Longrightarrow\quad\) B/10 = 0.3286 M-1/2 Å-1

Aktivitätsmodelle und ihre Beziehung untereinander

Modell-Hierarchie. Das empirische Modell von Truesdell-Jones in 4 stellt mit den beiden ionen­spezifischen Parametern ai0 und bi den allgemeinsten Ansatz zur Berechnung der Aktivitäts­koeffizienten dar. Je nachdem, wie man diese beiden Parameter modifiziert oder weglässt, gelangt man zu den anderen drei Aktivitätsmodellen.

Extended Debye-Hückel

Der zu schmale Gültigkeitsbereich der einfachen Debye-Hückel-Formel in 1 war der Grund, weshalb man diesen Ansatz in 2 mit einem Zusatzterm ergänzte (bestehend aus den beiden Parametern B und ai). Die so erweiterte DH-Formel berücksichtigt die Tatsache, dass jedes Ion einen endlichen Radius besitzt (also keine Punktladung ist). Der Parameter ai repräsentiert hier die effektive Ionengröße1

a = 0.9 nm für H+, Fe+3, Al+3
a = 0.8 nm für Mg+2
a = 0.6 nm für Ca+2, Fe+2
a = 0.4 nm für Na+, HCO3-, SO4-2
a = 0.3 nm für K+, NH4+, OH-, Cl-, NO3-

Anmerkung. Der Ionenparameter ai ist ein empirischer Fit-Parameter. Er berücksichtigt die das Ion umgebende Hydrathülle und ist deshalb größer als der eigentliche Ionenradius.

Davies Gleichung

Die Davies-Gleichung (3) unterscheidet sich von der erweiterten DH-Formel (2) in zweierlei Hinsicht :

Obwohl es keine strenge theoretische Begründung für den Zusatzterm gibt, erlaubt dieser Ansatz eine gute Beschreibung bis zu Ionenstärken von I ≈ 0.5 M.

Wegen ihrer Einfachheit und wegen des relativ großen Geltungsbereichs wird die Davies-Gleichung gern in Hydrochemie-Programmen verwendet (siehe unten).

[Für neutrale Spezies (zi = 0) reduziert sich die Davies-Gleichung auf die Setschenow-Gleichung: \(\lg\gamma_i = \textrm{const}\cdot I\).]

Truesdell-Jones (WATEQ Debye-Hückel)

Der Ansatz von Truesdell und Jones2 verallgemeinert sowohl die erweiterte Debye-Hückel-Gleichung (2) als auch die Davies-Gleichung (3). Sie wurde 1974 für das Hydrochemie-Programm WATEQ zur Beschreibung von stark NaCl-haltigen Wässern eingesetzt. Durch den zusätzlichen, ionenspezifischen Fit-Parameter bi in 4 wird der Gültigkeitsbereich noch einmal erweitert und schließt nun Meereswasser mit ein (I ≈ 0.72 M).

Man könnte 4 auch als doppelt-erweiterte Debye-Hückel-Gleichung bezeichnen; sie wird aber “WATEQ Debye-Hückel” genannt.

Gleichung (4) benötigt zwei Fit-Parameter: ai0 und bi, wobei die effektiven Ionenradien hier verschieden sind von denen des erweiterten Debye-Hückel-Ansatzes (ai0 ≠ ai). Die Werte für bi liegen in der Größenordnung von 0.1.

Beispiel: Aktivitätskoeffizient für Mg

Die beiden nachfolgenden Diagramme zeigen den Aktivitätskoeffizienten \(\gamma_i\) für Mg+2 als Funktion der Ionenstärke:

• oberes Diagramm: I = 0 bis 2 M (linear)
• unteres Diagramm: I = 0.0001 bis 5 M (logarithmisch)

Die hier verwendeten ionenspezifischen Parameter sind:

  zi = 2  
  ai  = 0.80 nm für Extended Debye-Hückel
  ai0 = 0.55 nm für Truesdell-Jones3
  bi = 0.2 für Truesdell-Jones3

[Man beachte: In den Diagrammen ist \(\gamma_i\) und nicht log \(\gamma_i\) dargestellt.]

Aktivitätskoeffizient für Mg+2 als Funktion der Ionenstärke (lineare Skala): Debye-Hückel, Truesdell-Jones, Davies

Aktivitätskoeffizient für Mg+2 als Funktion der Ionenstärke (logarithmische Skala): Debye-Hückel, Truesdell-Jones, Davies

Für I=0 liegt eine ideale Lösung vor, bei dem der Aktivitätskoeffizient exakt 1 ist (Aktivität = molare Konzentration). Mit ansteigendem I sinkt \(\gamma_i\) unter 1.0 (Aktivität < molare Konzentration). Erst bei höheren Ionenstärken in der Nähe von I ≈ 1 M kommt es zu einem Wiederanstieg von \(\gamma_i\), und zwar nur bei Davis und Truesdell-Jones — verursacht durch die Zusatzterme in 3 und (4).

Der Geltungsbereich der einfachen Debye-Hückel-Gleichung endet schon bei I ≈ 0.005 M.

Welches Aktivitätsmodell verwendet aqion ?

Das Programm aqion, dessen Gleichgewichtsberechnung auf PhreeqC beruht, verwendet einen der beiden Ansätze:

    Gleichung Parameterzahl Name in aqion verwendet
    Davies 0 ja (default)
    Extended DH 1 ai nein
    Truesdell-Jones 2 ai0, bi ja

Welches der beiden Aktivitätsmodelle für welche Spezies nun konkret verwendet wird, ist in der thermodynamischen Datenbank wateq4f.dat festgelegt.

Berechnungsalgorithmus. Die Berechnung der Aktivität ist ein iterativer Prozess: Der Aktivitätskoeffizient \(\gamma_i\) wird aus der Ionenstärke I berechnet; die Ionenstärke ergibt sich aus der Spezies-Verteilung; die Spezies-Verteilung folgt wiederum aus dem Massen­wirkungsgesetz, in das die Aktivität und die Gleichgewichtskonstante (log K-Wert) eingehen.

Lösungen mit extrem hohen Ionenstärken (I > 1 M)

Für sehr hohe Ionenstärken (hochsalinare Wässer) muss anstelle der Ionen-Dissoziations-Theorie die Ionen-Interaktions-Theorie (Pitzer-Gleichung) verwendet werden.5 Das Pitzer-Modell basiert ebenfalls auf dem Debye-Hückel Ansatz, bezieht aber zusätzlich Virialkoeffizienten mit ein, die die zwischenmolekulare Interaktion beschreiben.

Die Berechnung mit dem Pitzer-Modell ist aufwendig und erfordert eine deutlich größere Zahl an Parametern (die meist nur für ausgewählte Ionen bekannt sind). Solche Rechnungen sind mit aqion nicht möglich.

Anmerkungen

  1. Diese Daten sind entnommen aus: J Kielland, J. Am. Chem. Soc., 59, 1675 (1937). Man beachte die Umrechnung der Längeneinheit: 1 Ångström = 0.1 nm = 10-8 cm

  2. AH Truesdell, BF Jones: WATEQ – A computer program for calculating chemical equilibria of natural waters; Journal of Research, U.S.G.S. v.2, p.233-274, 1974 

  3. Diese Parameter sind der thermodynamischen Datenbank wateq4f entnommen. Sie stehen im Datenblock von Mg+2 als Zeile -gamma 5.5 0.200, wobei der erste Parameter ai0 und der zweite Parameter bi definiert. Man beachte, dass hier ai0 in Ångström angegeben ist, also 5.5 Ångström = 0.55 nm.  2

  4. Wird kein Wert für bi vorgegeben, gilt die Voreinstellung bi = 0.1. 

  5. KS Pitzer: Activity coefficients in electrolyte solutions (2nd ed.), Boca Raton, CRC Press, 1991 

[last modified: 2023-11-12]